Horrorszenario – „Produkt-Entwicklungsprozess“
..und wie Sie dem Schrecken ein Ende setzen!
Wenn leidenschaftliche Entwickler das Wort Produktentwicklungsprozess hören, läuft vielen ein kalter Schauer über den Rücken. Auch mir – selbst Entwickler mit Herzblut – kommen dabei sofort Gedanken an überbordende Bürokratie, lähmende Entscheidungswege und papierlastige Dokumentation in den Sinn. Ich selbst bevorzuge gerne den Begriff Produkt-Entwicklungsplan, kurz: PEP. Wie Sie mehr „pepp“ in Ihren PEP bringen – ohne auf Struktur, Effizienz und Marktorientierung zu verzichten – möchte ich in diesem Beitrag zeigen.

Mehr pepp in den PEP
Im Grunde verhält es sich wie im Teamsport: Eine Strategie – und nichts anderes ist der PEP – ist nur dann erfolgreich, wenn sie flexibel angepasst werden kann und von der gesamten Mannschaft getragen wird.
Prozesse stehen häufig synonym für Langsamkeit, Trägheit und Intransparenz – also exakt das Gegenteil dessen, was Entwicklerherzen höherschlagen lässt. Was Entwickler wirklich motiviert, sind ganz andere Werte: Fortschritt, Zukunftsfähigkeit, Kreativität, Agilität, Technologieführerschaft, um hier nur einige zu nennen.
Dabei bedeutet das Wort Prozess ursprünglich genau das, denn es stammt vom lateinischen procedere, was schlicht „vorwärts gehen“ bedeutet. Ein Prozess ist im Kern also nichts anderes als Fortschritt. Dennoch wird der Begriff häufig mit bürokratischen Hürden und schwerfälligen Abläufen in Verbindung gebracht, weshalb Dinge die mit ihm im Zusammenhang stehen, in der Praxis oft kritisch betrachtet und womöglich von vornherein abgelehnt werden. Motivation und Leidenschaft entstehen dort, wo Entwickler Sinn erleben, mitgestalten dürfen und der eigene Beitrag sichtbar Wirkung entfaltet.
Wenn der Plan nicht ankommt: Wo die Produktentwicklung in der Realität scheitert
Dieses Spannungsfeld zwischen inspiriertem Erfindergeist und formalen Hürden führt häufig dazu, dass der PEP wenig gelebt wird und kaum Akzeptanz findet. Aufgaben werden teilweise oder gar nicht umgesetzt, und das eigentliche Ziel – ein qualitativ hochwertiges Produkt rechtzeitig auf den Markt zu bringen – wird verfehlt. Es gibt zahlreiche Gründe, warum ein PEP in der Praxis wenig gelebt wird – ein paar davon möchte ich im Folgenden beleuchten:
- Kein Verständnis für Sinn und Zweck –Ein häufiger Grund, warum Prozesse in der Produktentwicklung scheitern, ist das fehlende Verständnis für ihren Nutzen. Mitarbeitende wissen nicht, warum bestimmte Abläufe notwendig sind – weil sie nie richtig kommuniziert wurden. Anstatt Einbindung gibt es bloße Anweisungen, ohne Zielbild oder Kontext. Wird ein Entwicklungsplan einfach verteilt, ohne dessen Bedeutung für das Team zu erläutern, verpufft sein Nutzen. Aufgaben bleiben liegen, weil niemand erkennt, wie sie zum großen Ganzen beitragen.
- Der Plan passt nicht zur Realität – Viele Produkt-Entwicklungspläne wirken auf dem Papier durchdacht und professionell – in der Praxis sind sie jedoch oft kaum umsetzbar. Ein zentraler Grund dafür ist, dass operative Teams bei der Planerstellung nicht ausreichend eingebunden werden. Ohne ihre Erfahrung und Rückmeldung entstehen theoretische Pläne, die wenig mit dem tatsächlichen Arbeitsalltag zu tun haben. Die Folge: Aufgaben erscheinen zu komplex oder praxisfern, Abläufe greifen nicht ineinander – Teams suchen sich informelle, eigene Wege. Statt Struktur entstehen Frust und ein Verlust an Verbindlichkeit.
- Silodenken verhindert Zusammenarbeit- Ein weiteres Problem ist das weitverbreitete Silodenken. Abteilungen agieren isoliert und optimieren primär ihre eigenen Abläufe – insbesondere, wenn sie an isolierten Kennzahlen gemessen werden – die ihre Einzelprozesse abbilden. Der Blick für das gemeinsame Ziel – ein Produkt, das Qualitäts- und Kundenanforderungen erfüllt – geht dabei verloren. So kann es passieren, dass ein Design Freeze beschlossen wird, um den Zeitplan zu halten, ohne den Einkauf einzubinden. Die Konsequenz: Benötigte Bauteile fehlen oder sind schwer zu beschaffen – das Projekt wird teurer und verzögert sich.
- Mangelndes Training und fehlendes Wissen – Selbst gut durchdachte Prozesse scheitern, wenn das Team nicht über das nötige Wissen verfügt. Ohne gezielte Schulung und Einführung bleibt der PEP für viele Mitarbeitende unverständlich. Die Folge: Unsicherheit, Fehlanwendung oder komplette Ablehnung. Ist zusätzlich unklar, wie regulatorische Anforderungen erfüllt werden – etwa durch eine fehlende Zertifizierungsstrategie – entstehen weitere Risiken und teure Verzögerungen. Umfangreiches Wissen muss nicht nur vorhanden sein, es muss auch praxisnah vermittelt werden.
Was tun? Produktentwicklung neu denken – und gemeinsam zum Ziel führen
Für mich persönlich ist ein PEP nichts anderes als eine strategische Anleitung für die Entwicklung eines Produkts. Und wie im Teamsport gilt auch hier: Eine Strategie funktioniert nur dann, wenn die gesamte Mannschaft geschlossen dahintersteht. Werden operative Teams nicht frühzeitig eingebunden, bleibt die Strategie ein theoretisches Konstrukt – mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitert sie in der Praxis.
Erst durch die aktive Beteiligung der Teams und die Möglichkeit zur individuellen Anpassung wird aus einem Plan ein funktionierendes Werkzeug. Produktentwicklungspläne sollten daher weder starr noch bürokratisch oder abgehoben wirken. Vielmehr müssen sie zur Realität des Unternehmens passen – und gemeinsam mit den Menschen im Team gestaltet und angewendet werden.
Das bedeutet: Mitarbeitende sollten von Beginn an einbezogen werden, damit sie den Sinn hinter neuen Abläufen verstehen, sich aktiv einbringen und mitgestalten können. Damit ein Plan in der Praxis wirklich greift, braucht es Zeit, Vertrauen und nicht selten eine oder mehrere Feedbackschleifen. Nur so entsteht echte Akzeptanz – und letztlich auch nachhaltige Verantwortung für die eigenen Aufgaben. Prozesse dürfen sich verändern und weiterentwickeln, solange das übergeordnete Ziel im Fokus bleibt: ein marktreifes Produkt, das sämtliche Anforderungen erfüllt und zum richtigen Zeitpunkt beim Kunden ankommt.
Wer darüber hinaus Rollen, Schnittstellen und Übergaben klar definiert und diese aktiv lebt, schafft Orientierung und Stabilität – insbesondere im Zusammenspiel unterschiedlichster Abteilungen. Denn was verstanden wird, wird gelebt. Und was mitgestaltet werden darf, wird mitgetragen – verantwortungsvoll und engagiert.
Ein besonders wirksamer Tipp: Vermeiden Sie den übermäßigen Einsatz moderner Schlagwörter, sogenannte Buzzwords. Diese Begriffe klingen zwar zeitgemäß, sind aber oft dermaßen überstrapaziert, dass sie ihre Wirkung verlieren – oder sogar stille Ablehnung auslösen. Viele Menschen empfinden sie als inhaltsleer oder aufgebläht, besonders wenn echte Substanz dahinterstehen sollte. Wer überzeugen will, sollte klar und in der dem Unternehmen angepassten Sprache kommunizieren. Echte Wirkung entsteht nicht durch trendige Schlagworte, sondern durch Sprache, die verständlich ist und Haltung zeigt.